Zitat - täglich neu

Seiten

Mittwoch, 12. Juli 2023

Heute wurde ich von fb an den 12. Juli 2021 erinnert.

 

In einer kleinen Bar im Norden von Madrid


Heute wurde ich von fb mit diesem Foto oben an den 12. Juli von vor zwei Jahren erinnert.

Da fing die grosse Reise an.

Oder besser gesagt, da waren wir an einem Anfang in Richtung Shut Down kurze Zeit später. Das wusste ich da natürlich noch nicht.

Zu dieser Zeit hatte er schon seit März Anzeichen einer seelischen Verstimmung. Die Psychologin seiner Werkstätte war längst schon eingeweiht. Anfänglich hatte sie zwar ein wenig Zweifel an meinen Beobachtungen, im Verlauf von ein paar Wochen allerdings bestätigte sie mir eine gewisse Veränderung bei Yannick nun auch in der Werkstätte.

Die C.-Zeit hatte nun auch endlich bei uns in der Familie Spuren hinterlassen, obwohl wir alle sowohl hier in Spanien wie auch die Familie in Deutschland bis hierhin gut durchgekommen sind, also körperlich wie auch psychisch.

Die erste Zeit, von Februar bis September 2020, nach der ersten Schliessung der Werkstätte und der Schule meiner Tochter hatten wir es uns recht "gemütlich" gemacht zu Hause: mein Mann und ich arbeiteten sowieso schon seit Jahren von zu Hause aus, meine Tochter hatte home-schooling per Zoom, und für die Nutzer der Werkstätte wurde nach einer gewissen Zeit auch sowohl von der Werkstätte wie auch von der FSDM aus per live-Übertragungen und schriftlichen Unterlagen für Beschäftigung zuhause gesorgt.

Ab September wurde die Werkstätte wieder geöffnet mit allen Sicherheits-Massnahmen: NUR noch mit Maske, ständiges Desinfizieren, mit Abstand den Tag miteinander verbringen - DAS war sehr, sehr hart für meinen Sohn, es war für ihn so unverständlich, so absolut abstrakt, nicht sichtbar, riechbar, spürbar. Wie erklärst du diese Zeit einem Menschen, der psychisch beeinträchtigt ist, so, dass er es versteht. Uns gelang das nicht. Und wir habe es uns so sehr gewünscht. Wochenweise wurde die Werkstätte geschlossen und wieder geöffnet, ein Hin und Her bis zu den Weihnachtsferien.

Zu Neujahr fand dann die Mikrobe auch IN unser Haus: nachdem wir erst eine Woche nach der Ansteckung erfuhren, dass die Tatsache so ist und wir logischerweise uns immer zusammen in den Zimmern aufhielten, infizierte sich im Verlauf der Zeit die ganze Familie gegenseitig.

Das war für Y wieder so, so schwer zu verstehen: seine Schwester in ihrem Zimmer tagelang in Quarantäne. Während dieser Zeit war ich infiziert - ich ging für die 10 Tage in Y`s Zimmer in Quarantäne - zwei Mitglieder von Y's Familie, jedes einzeln in einem Zimmer (für ihn) weggesperrt.

Als dann mein Mann infiziert war, war es bei meiner Tochter und mir schon wieder vorbei, also blieben wir jetzt alle zusammen im Haus, um trotz allem Y eine gewisse Sicherheit zu vermitteln.

Dann kam Philomena! Ein nie da gewesener Schneesturm mit Verwehungen bis zum Fenster in Parterre. Und das hier in Madrid! Während dieses Spektakel für meinen Mann, meine Tochter und mich eher etwas total Berauschendes war - war es für Y wohl eine riesige Bedrohung, das wir bei ihm nicht als solches bemerkt haben.

 Als dann mein Mann wieder gesund war und im Februar endlich auch die Werkstätte wieder geöffnet wurde (war nach den Weihnachtsferien zuerst auf, dann wieder geschlossen wegen Fälle), musste Y zuerst geprüft werden, bevor er wieder dorthin gehen konnte. Und da war nun auch er infiziert - ohne Symptome. Er musste erstmal 10 Tage zuhause bleiben. Danach neuer Test - immer noch positiv ohne Symptome. Nach weiteren 14 Tagen neuer Test - immer noch positiv ohne Symptome. Jetzt veranlasste die Ärztin eine Laboruntersuchung, bei der nach einer weiteren Woche feststand, dass bei Y die Werte genau an der Grenze lagen, also positiv, aber ohne Ansteckungsgefahr. Endlich, endlich durfte er wieder mit allen Massnahmen zurück in die Werkstätte und zu seinen Freunden. Aber eben weiterhin mit den Massnahmen von vor Weihnachten. Ein so schlimmer, schrecklicher, nicht aushaltbarer Zustand für Y. Das war dann schon Mitte/Ende März.

Kurz darauf war Y während der Osterzeit wieder eine Woche zuhause, ab Anfang Juli war er dann für das Sommercamp der FSDM für zwei Wochen beim Sport mit seinen Fussballfreunden angemeldet, danach noch zwei Wochen im Kultur-Camp der FSDM.

In dieser Kultur-Woche damals war Pablo Picasso mit seiner "Guernica" das Thema. Bild oben vom Y.

 
In dieser Zeit begann überhaupt die Urlaubszeit und einer nach dem anderen seiner Freunde ging noch während des Sommercamps in Urlaub. Für Y verschwanden sie, täglich einer mehr - irgendwohin. So unverständlich für ihn. Ich glaube im Nachhinein fast, dass es in seinen Augen einfach nur noch gefährlich war.

Und in dieser Zeit, während des Kulturcamps der FSDM in Madrid, entstand das Foto eingangs. Hier habe ich die Wartezeit verbracht, gefrühstückt, Strickmuster gezeichnet, an Häkelanleitungen gefeilt, stundenlang, bis es Zeit war, Y wieder abzuholen. 

Tja, da wusste ich, da wussten wir, die Familie, noch nicht, dass wir eine extrem grosse Reise angetreten waren.


#Depression #DownSyndrom #AussenArbeitsplatz

1 Kommentar:

  1. Oh ja, wie sehr musste ich, und unser jüngster Bruder, der für die Betreuung jenseits des Betreuten Wohnens sorgte, dieses Thema mit ansehen. Das traurigste Foto, das ich von meinem Bruder mit Down Syndrom in dieser hirnlos-grässlichen Zeit erhielt, zeigt(e) ihn in einem Krankenhaus, auf eine der letzten zahlreichen Untersuchungen nach dem zweiten oder dritten Pieks wartend. Eine viel zu große (und damit völlig unwirksame) Gesichtsmaske bedecktes sein super trauriges Gesicht. Wie ein "Schluck Wasser in der Kurve". Fast ohne Tonus, da saß er und war die personifizierte Traurigkeit.

    Er, der die Welt und das Leben auf seine Art immer verstanden hatte und auch liebte, verstand die Welt nicht mehr. Und die Menschen nicht. Und das, was man ihm zumutete schon mal gar nicht. Er hatte doch immer so viel Verständnis, Freundlichkeit und Zuwendung erfahren. Und nun stand die Wellt völlig Kopf. Dieses Bild war (und ist) herzzerreißend. Ich bin so froh, dass unsere Eltern das nicht mehr miterleben musste. Sein Heimgang in ihr Reich war dann geradezu eine Erlösung. Alles Gute für Y und auch für euch als Familie <3

    AntwortenLöschen