Wenn ich jetzt
den Titel so lese, dann durchfährt mich tatsächlich ein Schauer, es läuft mir
kalt den Rücken hinunter und mein Herz ist aufgewühlt. Aber genau so ist es.
Denke ich genau drei Jahre zurück, dann war da unsere Welt nicht mehr in Ordnung. Ein paar Monate vorher hatte ich beim Y. schon Veränderungen festgestellt. Er ist immer zurückhaltender geworden, introvertierter, stiller, antriebsloser, verschlossener.
Im Sommerurlaub im August war der absolute Höhepunkt – er war in eine so tiefe Depression mit Angstzuständen und Panikattacken gefallen. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas möglich ist.
der neue Schreibtisch |
Nach dem Winter
2020/2021 mit den ganzen Schliessungen aller Einrichtungen, C.-Ansteckungen Woche
für Woche bei jedem einzelnen Familienmitglied, dem Schneesturm Philomena, der
hier bei uns in Madrid nie erlebte Schneeverwehungen mit sich brachte, den
immer übler werdenden Nachrichten fasste Y. scheinbar den Entschluss, irgendwie
mit allem Schluss zu machen und zog förmlich aus seinem Zimmer aus. (Wir werden
nie erfahren, was genau seine Gedanken waren, er hat ja Down-Syndrom, verbal können
wir ihn vielfach nicht wirklich verstehen: wir denken seine Gedanken nicht, wir
sprechen seine Sprache nicht. Er ist halt doch irgendwie ein Engel von einem anderen Stern). Er packte alle seine Bücher, alle seine Trophäen und Medaillen, alle seine Besitztümer in Kisten und brachte sie vom 2. Stock in die
Garage. Er machte irgendwie einen Schluss-Strich unter seinem bisherigen Leben.
Du beobachtest
das und es bricht dir das Herz wie dein Kind sich so verändert und direkt Abschied nimmt vom Bisherigen. Aber wir liessen ihn, wir versuchten es zwar vorsichtig, behutsam, aber letztendlich hinderten wir ihn dann doch nicht
daran. Es war offensichtlich ein für alle Mal entschieden und wichtig für ihn. Von da ab lebte er, wenn er
zuhause war (und das war ja ab da sehr häufig und langfristig der Fall), nur noch auf dem Sofa, völlig apathisch, völlig abwesend, stundenlang nur da sitzen. Nichts machen, nichts tun, einfach nur sitzen mit leerem Blick in den Fernseher hinein. Oder nur in den Raum. Er schlief bei uns im Schlafzimmer, nachts
immer kontrollierend, ob wir noch da sind. Die ganzen letzten drei Jahre.
Und jetzt, vor
ein paar Wochen – plötzlich – fing er an, vereinzelt bestimmte Dinge aus den
Kisten in der Garage zu holen. Er wusste ganz genau, wo und in welcher Kiste er
damals was verstaut hatte! Das finde ich so genial – ich hätte das sicherlich
vergessen in dieser Zeit.
ein Teil seiner Stifte |
mit Fotos im PC als Vorlage |
Ein Wunsch! Vom Y.! Nach so langer Zeit ein echter, klar artikulierter Wunsch von ihm. Klar, wir machten einen Familien-Ausflug und fuhren zum grossen Schweden für seinen neuen Schreibtisch, renovierten sein Zimmer – und jetzt verbringt er seit ca. 10 Tagen immer wieder und immer häufiger Zeit in seinem Zimmer an seinem neuen Schreibtisch mit PC und malen … Er geht selbst hinauf, bleibt über längere Zeit 1-2 Std., kommt runter, geht wieder nach oben, aus eigener Motivation, aus eigener Initiative! Sein Zimmer existiert wieder für ihn, er lebt wieder in seinem Zimmer, mit seinen eigenen Sachen. Er kommt zurück.
Wer hätte
gedacht, dass einen sowas „Alltägliches“ so emotional berühren kann.
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